„Uns olle Schaul“ – das Heimatmuseum in Zempin

Zempin ist das kleinste Seebad auf Usedom. Es liegt zwischen Zinnowitz und Koserow an der engsten Stelle zwischen Ostsee und Achterwasser. Während der Inseltour hat uns hat uns Ingo Zander zum dortigen Heimatmuseum gefahren. Das Fischerboot vor dem Museum ist ein  beliebtes Fotomotiv.

Hier wurden wir schon erwartet und wir bekamen eine tolle Führung durch die Museumsräume. Ich habe vor ein paar Tagen Frau Stockmann gefragt, ob sie mir ein paar Fragen zum Museum beantworten kann, denn sie war es, die uns begrüßt hatte und viel über das Museum und die Geschichte von Zempin weiß.

Liebe Frau Stockmann,

ich würde mich freuen, wenn Sie mir etwas über das Schulhaus und Museum erzählen. 

„Das kleine Schulgebäude wurde 1928 mit zwei Klassenräumen für die 1.-4. Klasse und 5.-8. Klasse errichteten Dazu zwei Wohnungen für jede Lehrerfamilie.
Bis zum Sommer 2000 wurde das Gebäude als Grundschule für die Seebäder Koserow und Zempin genutzt. Dann ging die Zahl der Einschulungskinder so stark zurück, dass die heutigen „Bernsteinbäder“ eine Grundschule für die vier Seebäder bei der Kirche Koserow einrichteten.
Seit dieser Zeit ist das Gebäude ein Vereinshaus in dem Treffen und Veranstaltungen, auch auf dem Schulhof unter den 100jährigen Linden, durchgeführt werden. So finden jährlich das Feuerwehrfest im Juli und das Vereinsfest im August statt. Ein kleiner Weihnachtsmarkt und Osterveranstaltung für Einwohner und Gäste, besonders für Kinder, gestalten die Vereine, dabei sind immer unsere Ausstellungen geöffnet.“
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„Wie kamen nach Sie Zempin ?“
Ich selbst bin eine „Zugezogene“ aus dem Leipziger Braunkohengebiet und sah die Landschaft mit besonderen Augen. Die Menschen des Ortes lernte ich erst kennen, als in in den 80iger Jahren in der FPG (Fischereigenossenschaft) zu arbeiten begann.
1990 bei den ersten freien Wahlen stellte ich mich zur Verfügung, um etwas Neues aufzubauen. Vorher wurden die Bürgermeister eingesetzt und erhielten Gehalt. Doch nun musste die Gemeinde ehrenamtlich geleitet werden und ich bin gelernte Schneiderin und hatte im Verkaufsbüro gearbeitet. Die neue Kommunalverfassung sah vor, wenn sich keiner als Bürgermeister zur Verfügung stellt, dann muss der Älteste der Gewählten die Siegelgewalt übernehmen. So wurde ich Bürgermeisterin.
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„Interessant. Diese Regel kannte ich nicht. Das zog doch sicher einiges hinterher.“
Wie die Grundstücksproblemem mit Modrow Gesetz und Rückführungen. Ich musste mich mit Grundstücken und Erben befassen. So bekam ich Einblick in die Geschichte des Ortes und der Familien. Dazu kam, dass über Geschichte vor der DDR Zeit wenig veröffentlicht wurde. Zeitungen durften nun schreiben und Verlage gaben Nachdrucke heraus.
Ich sammelte alles, dazu kam der PC mit seinen Möglichkeiten der Sammlung. Nach der Wende fanden viele Arbeitslose Beschäftigung durch ABM. Auch die Gemeinden konnten Projekte beantragen. So habe ich versucht Menschen zu finden, die die Klassenräume und Gegenstände überarbeiten.
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Die Museums-Idee nimmt Gestalt an
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Zempin ist Jahrhunderte ein kleiner Fischerort gewesen, so hat mich die Fischerei besonders interessiert. Das Schlüsselerlebnis aber war: Als ich einer 80jährigen gratulierte, so erzählte sie, dass ihr Mann mit dem Esel aufs Eis ging. Es stellte sich heraus, dass es ein Eisnetz mit Mannschaft war, dass den Namen Esel hatte. Sie sagte mir auch, welcher Fischer im Ort noch darüber etwas sagen konnte. So kam es zur freundschaftlichen Bindung zum Fischer Konrad Tiefert, der 1919 geboren war. Das Glück war, dass er gern sein Wissen über die Fischerei weitergeben wollte.
Ich sah bei ihm ein kleines Modell – Ruderboot, welches er für sein Enkelkind gebaut hatte. Ich bat ihn doch für eine Ausstellung in der Schule solch ein Modell zu bauen. Das löste bei ihm einen Bauboom aus und er brachte immer mehr Modelle, die er wie seine Kinder betrachtete. Er hatte also mit 80 Jahren begonnen speziell für die Fischereiausstellung zu arbeiten. Kurz vor seinem 90. Geburtstag starb er. Seine Frau nähte die Segel zu den Modellen.
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Die Bootsmodelle als Herzstück der Ausstellung
Die Modelle sind das Wertvollste und Einmaligste, das wir in unserer Ausstellung haben. Sie zeigen die Entwicklung der Boote in unserer Gegend.

Jedes Boot ist ein kleines  Kunstwerk. Man kann es mit der Malerei der „Naiven Kunst“ vergleichen. In Meyers Lexikon finden wir als Erklärung für diese Kunstrichtung, das naive Kunst außerhalb der kunstgeschichtlichen Stilrichtung stehende Laienkunst sei, die in unmittelbarer Auseinandersetzung mit Lebenserfahrung, Umwelt, Kindheit, Wunsch und Traumbildern stehe, es sei keine Volkskunst.

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Um die Boote herum zeigen wir Gegenstände der Fischerei. Da die Mensche in dieser kargen Gegend  nur durch den Fischfang überleben konnten, haben wir die Eisgarnfischerei  (Wintergarnfischerei) im Modell und im Film dargestellt.

Aber es gibt noch andere Räume in Ihren Museum ?

Der zweite Klassenraum ist ein Vortragsraum für Sitzungen der Gemeinde und Vereine.  Während der Öffnungen zeigen wir auch Filme. Hier ist nur die Wandgestaltung möglich. Ab 2021 – 450 Jahre Zempin Ersterwähnung – ist eine besondere Gestaltung.

In einem weiteren Raum haben wir den Original- Kaufmannsladen von 1928 der Familie Schichlein aus Zempin aufgebaut. Gefüllt von vielen Gaben der Einwohner, aber auch Gäste bringen uns Ausstellungsstücke.

 

Sie sind wirklich sehr aktiv was die neuen Medien angeht. Es gibt DVDs und die Webseite. Und immer alles auf dem neuesten Stand.

Was wir an Literatur und DVDs erarbeitet haben und verkaufen finden Sie hier.
https://www.zempin-usedom-heimat.de/
https://www.ortschroniken-mv.de

Bei den Ortschroniken mv  stelle ich ständig weitere Sammlungen über alle Orte und Themen der Insel Usedom ein. Wir sind 13 Mitglieder (leider nur Rentner) im Verein, davon aber leben 4 weit weg von der Insel. Die Betreuung der Ausstellung über nehmen 6 Mitglieder im Wechsel. Ich bin die Vorsitzende.

Wie sieht es mit anderen Museen aus. Was mögen Sie ?

Von anderen Museen habe ich mir abgeguckt etwas für Kinder mit anzubinden. So haben wir ein Angelspiel, Puzzel und Seile zum Knoten eingebaut.

Die Stralsunder Musseen – Meeresmuseum und Ozeaneum sind mein Vorbild.

Auf der Usedom ist das Heimatmuseum im Lieper Winkel in Rankwitz besonders aktiv.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft ? 

Ich hoffe, dass sich Interessierte finden, die das Werk achten und erhalten und erweitern.

Hilde Stockmann hat auch viele Bücher über Usedomgeschrieben, die man hier findet.

Bücher Insel Usedom:
https://www.epubli.de/shop/autor/Hilde-Stockmann/11692

Bei Wikipedia gibt es einen Absatz über das Museum und den Modellbauer und Fischer Konrad Tiefert. Frau Stockmann hat mir auch einen tollen Prospekt über ihn geschickt.

  • Heimat-Vereinshaus Alte Schule („Uns olle Schaul“)[7]: Bis 2000 Schule, jetzt Ausstellungsraum für über 30 selbst gebaute Bootsmodelle des Zempiner Fischers Konrad Tiefert (* 1919); Tieferts Leben und Werk war im Februar 2005 Gegenstand der ZDF-Dokumentation Winterreise – von Usedom ins Gletschereis. Außerdem wurde in diesem Vereinshaus der historische Kolonialwarenladen von Karl Schichlein rekonstruiert (Mobiliar von 1928).

Bücher Insel Usedom:
https://www.epubli.de/shop/autor/Hilde-Stockmann/11692

Hier noch genauere Bilder der Fischerboote, sie sind unter den Netzen auf meinen Bilder nicht so gut erkennbar.

 

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