Ein Spaziergang über den Stadtgottesacker in Halle

Anfang des Jahres habe ich mich in den Zug gesetzt und einen Tagesausflug nach Halle gemacht. Ich wollte vor allem die Feiniger-Bilder sehen, aber auch die Himmelsscheibe. Das mit Feininger hat geklappt, aber das andere Museum war geschlossen. So hatte ich Zeit und habe mir in der Touristinformation ein paar Tipps geholt. Da ja zur Zeit alles geschlossen seien dürfte, wäre vielleicht ein Spaziergang über einen sehr, sehr alten Friedhof eine Alternative (ich weiß was Ihr denkt, aber trotzdem). Denn dieser Friedhof, Gottesacker oder auch nach dem italienischen Vorbild Camposanto genannt, ist einer der wenigen aus der Renaissance stammt und nicht in Italien liegt.

Los gehts. Ich bin zu Fuß unterwegs gewesen, aber das kommt natürlich auf den einzelnen an. Ein Orientierungspunkt ist diese Häuserreihe, von hier aus sind es nur noch ein paar Meter zum Friedhof.

Der Gottesacker von Halle

1557 wurde der Friedhof auf dem Martinsberg errichtet. Das geschah vor allem aus Platzmangel, denn normalerweise hätte der Friedhof direkt neben der Marktkirche gelegen. Aber inzwischen gab es dort zwei gotische Kirchen und keinen Platz mehr. So entstand damals (außerhalb der Stadt) dieser einzigartige Friedhof mit 94 Gruftbögen auch Schwibbögen genannt, nach italienischem Vorbild, die in über 30jähriger Bauzeit nach den Entwürfen des Stadtbaumeisters und Steinmetzen Nickel Hoffmann entstanden. Welche Künstler und Handwerker an den Grabbögen mitgewirkt haben, ist aufgrund der Zerstörungen von 1945 und des nachfolgenden Verfalls nicht mehr feststellbar. Eine Untersuchung im Jahre 1882 ergab 92 verschiedene Steinmetzzeichen; 1986 waren nur noch 50 erkennbar.

 

In den Grüften standen tief in der Erde die Särge, ihre Ruhe fanden vor allem wohlhabende Bürger, denn die Begräbnisstätten waren nicht billig.

Wenn man über den Stadtgottesacker läuft, trifft man immer wieder auf bekannte Namen.  In einem Familiengrab im Schwibbogen Nr. 60 liegen Georg und Dorothea Händel, die Eltern des berühmten Komponisten. Der Vater hatte den Schwibbogen im Jahr 1674 erworben, um seine erste Frau Anna, die ein Opfer der Pest wurde, zu beerdigen. In seiner zweiten Ehe mit Dorothea wurde Georg Friedrich Händel als erstes Kind geboren. Auch zwei Schwestern des Komponisten liegen im Familiengrab. Im Schwibbogen Nr. 80/81 findet man das Grab von August Hermann Franke, der im Jahr 1698 am Waisenhausring in Halle die nach ihm benannte Franckesche Stiftung gegründet hatte. Franke gilt mit seinem Lebenswerk als Wegbereiter des Pietismus, der von Halle aus eine große Ausstrahlung auf den protestantischen Glauben, pädagogische Konzepte und die Missionarstätigkeit seiner Zeit hatte. Angeblich sollen auch Vorfahren von König Silvia von Schweden, die Sommerlaths, dort begraben sein. Da ich aber nicht darauf geachtet hatte, kann ich sagen, ob das stimmt. Aber es gibt auch viele andere sehenswürdige Grabstätten, die die Atmosphäre es Friedhofes ausmachen. Ich war leider an einem regnerischen Tag dort, aber ich kann mir vorstellen wie toll es im Frühling aussehen müßte.

 

Seit dem 19. Jahrhundert gab es auch Beerdigungen außerhalb der Grüfte und so findet man auf den Innenraum viele Gräber.

 

Später begann der Verfall, die Kriege und die DDR-Zeit taten ihr übriges und der Gottesacker geriet fast in Vergessenheit. In den 80iger Jahren versuchten der damalige Stadtarchivar Werner Piechocki und andere über den Kulturbund, das noch vorhandene zu sichern. Zahlreiche Helfer kamen zu Arbeitseinsätzen zusammen und so gab es nach der Wende die Möglichkeit sich um den Wiederaufbau zu bemühen. Aber natürlich nicht ohne  Geldprobleme, denn die Stadt hatte nicht nur diese Baustelle.

Hier sprang zum Glück eine Mäzenin ein, Marianne Witte, die Tochter des Chemie-Nobelpreisträgers, Karl Ziegler. Mit ihrer finanziellen Hilfe und einer Stiftung, konnte der Aufbau geschafft werden.

So ist ein tolles stadtgeschichtliches Denkmal entstanden, das seines Gleichen sucht. Oder wie es bei Wikipedia heißt: “ … ein Meisterwerk der Renaissance nördlich der Alpen.“

Auf dem Weg durch die Stadt kommt man natürlich auch an anderen interessanten Bauwerken vorbei, aber merkt Euch das einfach für später.

Ich würde mich freuen, wenn Euch mein Halle-Tipp gefällt. Habt Spaß und bleibt gesund, Kerstin

Adresse: 

Gottesackerstraße, 06108 Halle (Saale)

Öffnungszeiten:

täglich ungefähr von 8 Uhr bis 17 Uhr.

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