Fragen an Russell Schulz, Musiker & Komponist

UPDATE Berlin attack 2016 Russell

Hallo Russell, danke, dass Du Zeit für meine Fragen hast. Der Einfachheithalber habe ich die Fragen in Deutsch gestellt und Deine Antworten frei “übersetzt”.  (Der englische Text steht in Klammern darunter)

Vielleicht kannst Du Dich kurz vorstellen ?

Hier die Fakten:

Geboren als Russell E. Schulz am 29 . Juli 1944 in Hebron, einer kleinen Stadt in der Nähe von Chicago. Professor für Liturgical Music am  Seminary of the Southwest in Austin, Texas. Komponist, Dirigent und Autor. Bis zur Übersiedlung nach Berlin, lebte und arbeitete er vor allem in Austin, Texas. Seine Werke werden unter dem Künstlernamen Russell Schulz-Widmar veröffentlicht. Verheiratet mit Hubertus Schulz-Wilke.

Was hat Dich nach Berlin geführt?

Ich kam als Mitglied eines College-Chors 1965 zum ersten Mal nach Berlin. Die Flüge waren damals sehr teuer, und meine Eltern nahmen an, dass es eine einmalige Möglichkeit sein würde, meine Verwandten in Berlin und der DDR zu besuchen. Unglaublich, wie sich die Zeiten geändert haben. Aus dem “einmaligen” Ereignis sind regelmäßige Besuche geworden, und schließlich habe ich 2008 für 6 Monate in Berlin gelebt. Irgendwann in dieser Zeit hatte ich die Idee, mich vielleicht in Berlin niederzulassen. Und dann wurde aus dem Traum Wirklichkeit.

( The first time I was in Berlin was in 1965 when I came as a member of a college choir. I had relatives in Berlin and in DDR and my parents hoped that I could meet them. At that time it was very expensive to fly to Germany and they thought that my visit to Berlin surely would be a once-in-a-lifetime event. How the times have changed! Subsequently I vacationed in Berlin many times—and also a couple times with my relatives in DDR. My visits became more frequent in the last decade and then in 2008 I had a sabbatical with a grant to live in Berlin for six months. About halfway through this time I had the idea that I’d retire sooner than planned and move to Berlin. At first it was a kind of dream, but that’s eventually what happened!)

Warum bist Du in Berlin geblieben?  

Anfangs war es die phantastische Kultur- und Musikszene in dieser Stadt. Oft besuche ich Konzerte und denke dann, etwas Besseres gibt es einfach nicht. So viele Dinge kann man von Berlin aus erreichen, man setzt sich einfach in den Zug oder fliegt los. Natürlich gefällt mir die liberale Stimmung der Stadt und nicht zu vergessen, meine familären Wurzeln. Mein Vater stammt von Rügen und je älter er wurde, desto wichtiger schien seine Herkunft zu sein. Und dann ist da natürlich Hubertus. Dass ich ihn kennengelernt habe, ist wundervoll, und ich bin dankbar für das Zusammentreffen all dieser Dinge.

(What attracted me to Berlin? The first thing I suppose is the wonderful cultural and music scene here. So often I have returned home from a concert thinking: “It just doesn’t get any better than this!” Also, I love the liberal, live-and-let-live mood of this place. And then I love that Berlin is in Germany and Germany is in the center of Europe. So many wonderful places are relatively close—only a train-ride or a short flight away. I also like being back at my roots. My father was from Ruegen and in his later years his heritage became very important to him. I think some of this rubbed off on me. And finally, of course, there’s Hubertus. Really he should be at the top of the list, though I didn’t meet him till after I’d decided to move here. All of this adds up to a wonderful life. I am so grateful!)

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thanksgiving dinner! Peter and Diego (from FB)

Du hast meine nächste Frage nach der Herkunft Deines Namens vorweggenommen, denn Schulz ist nicht gerade ein amerikanischer Name.

Das stimmt, aber er ist auch nicht so selten wie man vielleicht denkt. Denn in den Gegenden, in denen sich früher Deutsche niedergelassen haben, kommt er durchaus vor. Zum Beispiel in der Gegend um Chicago bis hoch nach Milwaukee, Wisconsin. Dort wo ich aufgewachsen bin, waren wir die einzige Familie names Schulz, aber es gab durchaus andere Schreibweisen mit t zum Beispiel und andere Namen deutschen Ursprungs wie Scholl. So hies mein Klavierlehrer.

(Schulz is not a common name in the US but neither is it uncommon, especially in parts of the country that were originally settled by Germans. One such area is north of Chicago, extending up towards Milwaukee, Wisconsin. This is where I grew up. Were there many Schulzes around when I was a kid? We were the only ones in our little community that spelled the name correctly [without T] , but my mother’s sister married a man named Schultz. And I had a school friend named Schult. And my piano teacher was named Scholl.)

Als ich in Madison war, sind mir viele deutsche Beschriftungen aufgefallen. Interessierst Du Dich für Deine Familiengeschichte ? Wie weit zurück kannst Du Deine deutschen Wurzeln verfolgen?

Meine Familiengeschichte ist für mich als Amerikaner interessant und faszinierend. Mein Vater ist Ende der 20er Jahre ausgewandert, nicht aus politischen Gründen, sondern weil er das Abenteuer gesucht hat. Mein Vater, seine Famile und später auch meine Mutter, haben einfach alles über diese Zeit aufgehoben. Dokumente, Fotos und Zeitungsartikel. Es reicht für ein Buch, an dem ich seit Jahren sporadisch gearbeitet habe. Nun wo ich Zeit habe, ist es mein Ziel es zum 100. Geburtstag meiner Mutter zu veröffentlichen. Das Buch beginnt mit dem Jahr 1871, aber ich will noch genauer in den Kirchenregistern von Rügen recherchieren, bevor ich es fertigstelle.

(I am interested in my family’s history because for Americans it’s a fascinating and inspiring story. The Auswanderung was relatively late: in the 1920s. It wasn’t political—it was my young and ambitious father seeking adventure and new possibilities. What makes the story so interesting today is that my father’s family and later my mother were pack-rats: they saved everything—-every document and letter and photograph and newspaper article. It’s enough for a book, and in fact I have been working off-and-on on such a book for many years. Now I have time to finish it and I intend to have it published in time for the one hundredth anniversary of my mother’s birth: 2015. The book begins in 1871 so I have traced my heritage back only till the middle of the nineteenth century. But I have researched the record books in the church in Ruegen and will go back and do further research before finishing the book.)

Du bist ja von Hause aus Komponist und Musiker, warst Professor für Kirchenmusik in Austin. Welche Unterschiede siehst Du zwischen der Musiklandschaft in Berlin und Austin?

Es gibt genauso viele Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zwischen Berlin und Austin. In Austin gibt es die University of Texas, die viel für die Musikszene tut, die Austin Symphony, die Austin Lyric Opera oder auch den großartigen Chor “Conspirare”. Und natürlich auch Tolles in der Popmusik. Trotzdem kann man es nicht mit Berlin vergleichen. Die Stadt ist viel größer und im Mittelpunkt von Europa. Die deutsche Geschichte spielt eine große Rolle in dieser Stadt. Hier hat man die Qualität und die Quantität, die Berlin zur Musikmetropole macht. Ein wirklich großer Unterschied zu Amerika ist die Förderung der Kultur von staatlicher Seite. Hier können viele Künstler von der Kunst leben und die finanzielle Ausstattung der Einrichtungen hat einen großen Einfluß auf die Eintrittspreise. Dadurch können mehr Menschen Konzerte, Opern und Theater besuchen, was toll ist. Denn Kultur sollte für alle zugänglich sein.

(There are many similarities between Berlin and Austin but also many differences. Actually, there’s a wonderful music scene in Austin, often connected with the University of Texas, the Austin Symphony, and the Austin Lyric Opera, and “Conspirare”—plus some world-class pop music personalities and events. But, let’s face it, the music scene in Berlin is one-of-a-kind. Berlin is a city three-and-a-half times the size of Austin and it’s in the center of Europe. And it’s the capital of a country that has a wonderfully rich centuries-long musical heritage. There’s both quality and quantity here: there are professional performances that are simply the best, and there are also performances by devoted amateur groups who want to participate in the music-making and who work together to produce fine performances. Another plus: there is good government subsidization of the arts here and that makes a huge difference in two ways. First, it enables support of quality performers and this results in better performances. And second—and this is very important—it lowers the prices of tickets, so that more people can attend the performances. Fine music ought to belong to everyone.)

Du komponierst auch weiterhin?  Welche Pläne hast Du?

Kirchenmusik war und ist meine Passion. In Berlin habe ich mir auch gleich einen Flügel gekauft,  um arbeiten zu können. Im Amerika wird meine Musik oft aufgeführt, leider gibt es nicht viele Aufnahmen davon, weil es wirklich „Gebrauchsmusik“ ist. Aber ein paar sehr schöne Stücke gibt es und einige von ihnen, passen auch gut zum deutschen Weihnachtsfest. Eines meiner besten und schönsten Stücke ist ein Requiem  für Chor, Orgel und 6 Instrumente, das jetzt veröffentlicht wird. Es ist 40 Minuten lang und ich habe es zum Gedenken an meinen Vater geschrieben. Dafür habe ich das Gedicht “Von guten Mächten” von Dietrich Bonhoeffer benutzt. Und es gibt ein paar Projekte, die demnächst anstehen. Mal sehen was die Zukunft bringt.

 (Yes, I have been a composer of church music for many years and I still do this and enjoy it very much.  Indeed, one of my first purchases after I moved to Berlin was a piano!  My music is performed quite a lot in America, but it is not so often recorded because I compose mostly Gebrauchsmusik.  (There’s no word for this in English, so we use the German word.)  On the other hand, there are some beautiful recordings of some of my pieces.  I have written a number of pieces, especially Christmas pieces that would work well here in Germany.  And one of my best and most beloved pieces is a REQUIEM that is about to be published.  It’s about 40 minutes long, for choir, organ and six instruments.  Because I wrote it in memory of my father, I included a German poem:  Bonhoeffer’s Von guten Maechten.  Today there are quite a few new things in the making.  Who knows what the future will bring?)

Ich habe gehört, dass Musik von Dir beim Deutschlandradio vorgestellt wurde?

Ja, im der Reihe “Musikfeuilleton” vom Deutschlandradio am 11. August 2013 wurde Musik von mir gesendet.

Gratuliere. Für den, der nicht so lange warten will,  kannst Du ein Stück von Dir zum Nachhören auf You Tube empfehlen ?

Ja, zum Beispiel den “Sky Song”.

Vielen Dank für das Gespräch !

 

Russell Schulz ist auf Facebook zu finden (https://www.facebook.com/russell.schulz.14)

Den englischen Wikipedia-Eintrag gibt es hier (http://en.wikipedia.org/wiki/Russell_Schulz-Widmar)

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